Einzelprojekte

Anthropologie des Verbrechens. Zur Interferenz von Poetik, Moral-, Rechts- und medizinischem Diskurs in deutschen Kriminalgeschichten des 19. Jahrhunderts

Jodocus Donatus Hubertus Temme (1798-1881) ist ein für die Rechtswissenschaft ebenso wie für die germanistische Literaturwissenschaft zentraler Autor: Er hat nicht nur als Jurist zentrale Hand- und Lehrbücher zum Zivil- und Strafrecht verfasst, sondern zugleich als belletristischer Schriftsteller das mit Abstand umfangreichste und bedeutendste Werk an Kriminalromanen und -geschichten des 19. Jahrhunderts in Deutschland geschaffen. Über populäre Familien- und Kulturzeitschriften wie Die Gartenlaube fand dieses massenhafte Verbreitung. Umso mehr überrascht, dass das literarische Werk Temmes in seiner Bedeutung für die internationale Geschichte der Kriminalliteratur nicht annähernd monographisch erschlossen worden ist. Die internationale Geschichte der Kriminalliteratur konzentriert sich stattdessen bislang v.a. auf die Ursprünge der Gattung im englischsprachigen (E. A. Poe, W. Collins, A. C. Doyle u.a.) und französischsprachigen Raum (É. Gaboriau). Eine Auswertung des Temmeschen Werks hingegen kann die Geschichte der Kriminalliteratur wesentlich modifizieren, indem u.a. stärker sozialkritische und rechtsreflexive Tendenzen einer deutschen Erzähltradition einbezogen werden, die sich der doppelten Profession Temmes als Jurist und Schriftsteller verdanken – und die zu einer Neuschreibung der Kriminalliteraturgeschichte führen wird, insofern nicht erst im 20. Jahrhundert (u.a. mit dem ‚Neuen deutschen Kriminalroman‘) sozialkritische Tendenzen als genuin deutscher Beitrag zur internationalen Geschichte der Kriminalliteratur markiert werden.

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Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Schlagworte

Institution

Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU)
Germanistisches Institut
Deutschland