Johann Christoph Gottsched hatte als Aufklärer ein zentrales Ziel: Die Bildung der Frau. Denn, wie Steffen Martus in seiner Studie zur Epoche der Aufklärung schreibt, "an Töchtern, Ehefrauen und Müttern erprobte man, wie sich die neue Weltweisheit mit einer neuen Lebenshaltung verbinden" lässt. Wenn der Mensch tatsächlich von Natur aus vernunftbegabt ist, und zwar unabhängig von Stand, Geschlecht und ethnischer Herkunft, dann muss man Frauen auch zu Gelehrten, Dichterinnen oder gar zu Doktorinnen erziehen können. So argumentierten viele Intellektuelle in der Zeit. [...] Wie aber verhielt sich die Programmatik der weiblichen Aufklärung zur sozialen Realität? Welche Chancen hatten gebildete und dichtende Frauen wirklich, gab es die Möglichkeit zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung? Oder handelt es sich letztlich nur um Männerphantasien, um leere Gedankengebäude von Akademikern, denen Frauen als intellektueller Spielball dienten? Ich denke, dass gerade die Rolle einer 'femme de lettre', einer gebildeten, selbstbewussten Frau in der Frühaufklärung in der Tat sehr ambivalent war: Man begegnet ihr mit Bewunderung, Anerkennung und Staunen – vom "Wunderthier" wie in einem Kuriositätenkabinett ist oft die Rede -, aber auch mit Misstrauen und Missgunst, Polemik und Sexismus. Diese Ambivalenz lässt sich am Beispiel einer Autorin besonders gut zeigen: Christiana Marianna von Ziegler - Verfasserin saftiger Satiren und sanfter Schäferlyrik, selbstbewusste Salonière und treusorgende Professorengattin, fromme Kantatendichterin und emanzipierte Aufklärungsfeministin.
|