Wolfgang Jacobsen entdeckt in seiner beschreibenden Annäherung an die Welt dieses Regisseurs eine Dramaturgie, die sich den Gesetzen des Spannungskinos entzieht und auf szenische Beobachtungen setzt, die vom Zuschauer Muße und Konzentration einfordern. „„Zeit und Welt“ heißt der Band von Wolfgang Jacobsen, der uns durch das Filmwerk von Gerhard Lamprecht führt. Auch hier ist nicht die strikte Chronologie der rote Faden, sondern eine Mischung von zeitlichen, thematischen und assoziativen Zusammenhängen. Die Filmtitel (mit Jahreszahl) als obere Seitenkolumnen sorgen für Orientierung. Auf rund fünfzig der siebzig Regiefilme von Lamprecht lässt sich Jacobsen genauer ein, dreißig werden ausführlich besprochen. Darunter sind natürlich DIE VERRUFENEN, MENSCHEN UNTEREINANDER, DER ALTE FRITZ, EMIL UND DIE DETEKTIVE und IRGENDWO IN BERLIN – aber auch UNTER DER LATERNE, BARCAROLE, MÄDCHEN IM VORZIMMER, DU GEHÖRST ZU MIR und DIE BRÜDER NOLTENIUS. Aufmerksam und sensibel beschreibt Jacobsen die stilistischen Stärken von Lamprecht, sein Interesse an Atmosphäre, Genauigkeit und Milieu, seine Liebe zu Kindern, seine Aufmerksamkeit für Details. Andererseits hat Lamprecht auch Zugeständnisse gemacht: an Produzenten und auch an die Machthaber der Jahre 33-45. Das wird, soweit es in den Filmen erkennbar ist, deutlich zur Sprache gebracht. Die Ideologiekritik wird meist an Figuren oder ästhetischen Lösungen fest gemacht, gelegentlich auch an Reaktionen von Goebbels oder der zeitgenössischen Kritik. Immer wieder bemüht sich Jacobsen, Lamprecht zu verstehen, und formuliert Fragen, die ihn angesichts der Filme bewegen. Kleine biografische Hinweise zu Lamprecht sind eingeflochten. So entsteht eine sympathische Nähe des Autors zum Werk des Regisseurs. Es gibt keine kühle Besserwisserei, sondern die notwendige historische Distanz. Auf sechs Doppelseiten sind zu Szenen, die im Text beschrieben werden, kleine Sequenzfotos abgebildet. Der Anhang enthält eine Filmografie und Literaturangaben“ (Hans Helmut Prinzler)
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