Eines Nachts führt Marica Bodrožićs Vater sie in ihrem dalmatinischen Dorf hinaus ins Freie. Sie ist noch ein Kind, und er zeigt ihr am Himmel die Sterne des Südens, erklärt ihr, wie jeder einzelne Stern heißt und dass das Licht der weitentfernten Galaxien alles auf der Erde beschützt: die Tiere, die Bäume und Pflanzen, auch jeden einzelnen Menschen, samt seinen Träumen. Ein ergreifendes Momentum schreibt sich tief in das Kind ein. Seither ist Marica Bodrožić’ Blick auf den Himmel gerichtet, immer auf der Suche nach den Sternen, Erzählungen und Beglückungen des Südens. Diese wesenhafte Liebe bleibt ihr auch im dörflichen Hessen erhalten, als sie das alte Jugoslawien für immer verlässt und in die Nähe von Frankfurt zieht. Selbst als in den 1990er Jahren der Krieg in ihrem Herkunftsland ausbricht, bleibt sie dieser Liebe ungebrochen treu. Seitdem ist sie häufig in ihre brutal zerrissene Herkunftsgegend zurückgereist, und in diesem Buch erzählt sie von ihren gleichermaßen ethnologischen wie empathischen Begegnungen mit Land und Leuten vor dem Ausbruch des Krieges und danach. Sie beschreibt eindringlich die mediterrane Welt, aber auch die Verwüstungen, die der Bürgerkrieg hinterlassen hat: konkret, anschaulich und zutiefst poetisch zugleich. Dabei geht es ihr immer auch um die Beschwörung der humanistischen Werte und um die Hinwendung zum freien Menschen, der nur dann wirklich frei sein kann, wenn er lernt, auch das Dunkle in seiner eigenen Geschichte zu sehen. Marica Bodrožićs Buch ist ein couragierter Beitrag zum Erlernen dieses inneren Sehens. „Der Stil Bodrožićs ist essayistisch. Am Ende der Lektüre angekommen, ist man nicht nur um eine literarische Erfahrung reicher, sondern verfügt auch über eine feinere Wahrnehmung. Die Gedanken der Autorin sind immer nachvollziehbar beschrieben. So ist das Buch ein Plädoyer dafür, dass es nicht nur eine Wahrheit geben kann, sondern immer mehrere davon geben muss. Wir Menschen nehmen mit unseren Sinnen, Gedanken und Gefühlen vieles unterschiedlich auf und sind deshalb oftmals für die Empfindsamkeiten anderer unempfindlich. Dieses Buch aber lädt dazu ein, die eigene Wahrnehmung zu prüfen: Woher kommen unsere Überzeugungen, Gedanken und Emotionen?“ (literaturkritik.de)
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