Schauergeschichten. Angst und ihre literarischen Emotionspraktiken um 1800
Das Projekt untersucht die literarische Bearbeitung von Angst in der deutschsprachigen Schauerliteratur um 1800. Es erforscht, wie sich literarische Angst in praxeologischer Perspektive hinsichtlich ihrer Gegenstände, Formen und Funktionen als Element einer Emotionspraxis der Sattelzeit genauer bestimmen lässt. Das literaturwissenschaftlich ausgerichtete Projekt macht es sich unter Einbeziehung emotionsgeschichtlicher und medienkulturwissenschaftlicher Ansätze zum Ziel, die spezifische historische Signatur der Angst im Untersuchungszeitraum herauszuarbeiten. Dementsprechend fasst das Projekt Angst als wissensgeleitete, performative Praktik, die es in ihrem durch historisches Gefühlswissen und schauerliterarische Bearbeitung gleichermaßen konstituierten Ermöglichungszusammenhangs zu situieren gilt. Daraus resultiert eine doppelte Fragestruktur: nach der ästhetischen Gestalt historischer Angst in der Literatur einerseits, nach den produktiven Effekten populärliterarischer Kommunikation für die Ausprägung zeitgenössischer Angst andererseits. Konkret ergeben sich hieraus drei aufeinander bezogene Forschungsdesiderate, die es zu bearbeiten gilt: Das Projekt profiliert Angst in einer zu rekonstruierenden historischen Gestalt als eine Leitemotionen deutschsprachiger Literatur um 1800 (1); es arbeitet an einer umfassenden emotionsgeschichtlichen Historisierung und Funktionsbestimmung der deutschsprachigen Schauerliteratur dieser Zeit (2) und setzt literaturwissenschaftliche Emotionsforschung und Emotionsgeschichte in ein produktives Verhältnis zueinander (3). Das Projekt fußt damit auf grundlegenden Überlegungen zur Geschichtlichkeit von Literatur und zum Verhältnis von Literatur und Gefühl, schließt an Fragen zur kulturellen Tiefendimension von Angst an und verbindet die Emotionsgeschichte der Angst mit einer Medienanthropologie populärer Schauerliteratur.Vor diesem Hintergrund will das Projekt anhand des im 19. Jahrhundert populären Genres der Schauerliteratur untersuchen, welche literarischen Verfahren und Techniken Angst in zeittypischer Weise artikulieren und kommunizieren. Fokussiert wird dabei – einem weiten Begriffsverständnis von Schauerliteratur folgend – ein Korpus, der beispielsweise Friedrich Schillers Romanfragment Der Geisterseher (1787) ebenso miteinschließt wie E.T.A. Hoffmanns Nachtstücke (1816) oder auch Wilhelm Hauffs satirisch-schauerlicher Novelle Mittheilungen aus den Memoiren des Satans (1825/26), der besonders aber auch populärliterarische Texte der ‚zweiten‘ und ‚dritten‘ Reihe berücksichtigt. Um ein entsprechendes Ensemble von Primärtexten unter emotionspraxeologischen Gesichtspunkten analysieren zu können, gilt es deren wissens- und diskursgeschichtliche Kontexte miteinzubeziehen, also die schauerliterarische Angst auf ihre wechselseitigen Interferenzen mit dem zeitgenössischen Gefühlswissen einerseits und prominenten Angstdiskursen andererseits zu befragen.
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