Suchen in GiNDok

Recherchieren Sie hier in allen Dokumenten, die auf GiNDok publiziert wurden.

Ergebnisse für *

Es wurden 1 Ergebnisse gefunden.

Zeige Ergebnisse 1 bis 1 von 1.

Sortieren

  1. Die Leerstelle in Schillers "Wallenstein"

    Wie verfährt man mit einem kanonisierten Text, auf den die Selbstaussagen des Autors ein schiefes Licht werfen? Wenn dies auf Werke eines Autors zutrifft, dessen Briefwechsel ebenso Teil des Kanons ist, steht der Leser vor einer besonders heiklen... mehr

     

    Wie verfährt man mit einem kanonisierten Text, auf den die Selbstaussagen des Autors ein schiefes Licht werfen? Wenn dies auf Werke eines Autors zutrifft, dessen Briefwechsel ebenso Teil des Kanons ist, steht der Leser vor einer besonders heiklen Aufgabe. Man fühlt sich dazu aufgerufen, den Text gegenüber jener Instanz in Schutz zu nehmen, welche innerhalb der historischen Hermeneutik das letzte Wort hat: dem von Roland Barthes als Gott identifizierten Autor.

    Während Tragödien für gewöhnlich mit der Größe des Helden stehen und fallen, drückt sich Friedrich Schiller betont distanziert über den Titelhelden aus Wallenstein aus: "Er hat nichts Edles, er erscheint in keinem einzelnen LebensAkt [sic] groß, er hat wenig Würde und dergleichen." Doch Schiller schickt sogleich eine Erklärung hinterher, weshalb er das dramatische Projekt trotzdem nicht aufzugeben gedenke. Er plane "auf rein realistischem Wege einen dramatisch großen Character in ihm aufzustellen, der ein ächtes Lebensprincip in sich hat." Ohne Verklärung (wie in der Jungfrau von Orleans) oder idealistische Überformung (wie im Don Carlos) solle Wallenstein groß erscheinen, was umso schwerer fällt, weil nichts für den Protagonisten einnimmt: "Seine Unternehmung ist moralisch schlecht, und sie verunglückt physisch. Er ist im Einzelnen nie groß, und im Ganzen kommt er um seinen Zweck. Er berechnet alles auf die Wirkung, und diese mißlingt." Die Beantwortung der Frage aber, wie es Schiller angestellt hätte, die "bloße Wahrheit" des Charakters für sich sprechen zu lassen, blieb zuletzt der Literaturwissenschaft überlassen, die im Laufe der Zeit ein breites Spektrum an Antwortmöglichkeiten zur Verfügung gestellt hat. Seit den 1990er Jahren hat sich der Ansatz verfestigt, dass es sich bei solchen Selbstaussagen nicht um Geburtsschmerzen, sondern um das Eingeständnis eines scheiternden Dramatikers handle. Wenn er Goethe gegenüber erwähnt, dass es ihm "fast zu arg [sei], wie der Wallenstein mir anschwillt" und dennoch bei der großzügigen Organisation des Textes bleibt, weckt er Erinnerungen an den Zauberlehrling, der sich eine Aufgabe stellt, der er letztendlich nicht Herr werden kann.

     

    Export in Literaturverwaltung
    Hinweise zum Inhalt: kostenfrei
    Quelle: GiNDok
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Wissenschaftlicher Artikel
    Format: Online
    ISBN: 978-3-7092-0271-3
    DDC Klassifikation: Literatur und Rhetorik (800); Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur (830)
    Sammlung: Passagen Verlag, Weimarer Beiträge
    Schlagworte: Schiller, Friedrich; Wallenstein
    Lizenz:

    publikationen.ub.uni-frankfurt.de/home/index/help

    ;

    info:eu-repo/semantics/openAccess