"Wenn Sie bipolar sind, hat Ihr Leben keine Kontinuität mehr. Die Krankheit hat Ihre Vergangenheit zerschossen, und in noch stärkerem Maße bedroht sie Ihre Zukunft. Mit jeder manischen Episode wird Ihr Leben, wie Sie es kannten, weiter verunmöglicht. Die Person, die Sie zu sein und kennen glaubten, besitzt kein festes Fundament mehr. Sie können sich Ihrer selbst nicht mehr sicher sein. Und Sie wissen nicht mehr, wer Sie waren. Was sonst vielleicht als Gedanke kurz aufleuchtet, um sofort verworfen zu werden, wird im manischen Kurzschluss zur Tat. Jeder Mensch birgt wohl einen Abgrund in sich, in welchen er bisweilen einen Blick gewährt; eine Manie aber ist eine ganze Tour durch diesen Abgrund, und was Sie jahrelang von sich wussten, wird innerhalb kürzester Zeit ungültig. Sie fangen nicht bei null an, nein, Sie rutschen ins Minus, und nichts mehr ist mit Ihnen auf verlässliche Weise verbunden." Thomas Melle leidet seit vielen Jahren an der manisch-depressiven Erkrankung, auch bipolare Störung genannt. Nun erzählt er davon, erzählt von persönlichen Dramen und langsamer Besserung - und gibt einen außergewöhnlichen Einblick in das, was in einem Erkrankten so vorgeht. „Es fällt schwer, im Vorgang der Sprache den Riss, den Knacks, der den Autor von der Welt im Wahn trennt, nachzuvollziehen. Denn dass etwas nicht stimmt, kann kaum jemand bestreiten. Nur wird die Perspektive im bipolaren Fall kaum vermittelt. Die Welt, die Umgebung, die Freunde meinen, es stimme etwas mit Melle nicht, und Melle meint, es stimmt etwas mit der Welt nicht. Dass man in solchen Fällen beim Lesen lachen muss, ist ganz im Sinne des Autors, denn Humor, heißt es einmal, helfe dem Bipolaren mehr als das verständnisvolle Nicken der Psychiater. Selbst schlechter“ (taz)
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