Interviews und Erzählungen russischer Zeitgenossen kunstvoll zusammengestellt zu einer Chronik des sozialistischen Alltags. (S. Preisler) Rezension: Der Kalte Krieg ist seit über zwanzig Jahren vorbei, doch das postsowjetische Russland sucht noch immer nach einer neuen Identität. Während man im Westen nach wie vor von der Gorbatschow-Zeit schwärmt, will man sie in Russland am liebsten vergessen. Inzwischen gilt Stalin dort vielen, auch unter den Jüngeren, wieder als großer Staatsmann, wie überhaupt die sozialistische Vergangenheit immer öfter nostalgisch verklärt wird. Für Swetlana Alexijewitsch leben die Russen gleichsam in einer Zeit des "Secondhand", der gebrauchten Ideen und Worte. Wie ein vielstimmiger Chor erzählen die Menschen in ihrem neuen Buch von der radikalen gesellschaftlichen Umwälzung in den zurückliegenden Jahren. (Verlagstext) (S. Preisler) Es ist ein ungewöhnliches Buch. Ein Buch der Stimmen, Stimmen, die die Autorin auf der Strasse eingefangen oder aus Küchenlärm herausgefiltert hat. In 2 Teilen, 1991-2001 und 2002-2012, kommen die Betrogenen, die Unglücklichen, die Falsch-Verstandenen, aber auch die Gewinner, die Verteidiger der Veränderungen zu Wort. Manchmal ist es nur ein eingefangener Satz, dann wieder ein langes, kaskadenartiges Interview. Immer dreht es sich um den grossen Bruch und was davor war und dann gekommen ist. Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen erzählen, wie sie die Sowjetunion empfunden, gelernt, erlebt haben, und wie sie die neue Zeit und russische Welt verstehen. Das kann in dieser Form kein Historiker leisten. Es ist wirklich ein einzigartiger Klangteppich zu erkunden, verwirrend vielstimmig zuerst. Geht man näher heran, erkennt man grobe, aber auch filigrane Tonfolgen. Das Volk spricht. Die Autorin ist in der Ukraine geboren, in Weissrussland aufgewachsen und bereits mehrfach für Publikationen ausgezeichnet worden. Am 13. Oktober erhält sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. (2)
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