Ein schalldichter Raum. Draußen die Großstadt. Osman Engels übt Cello. Er spielt an gegen unsichtbare Hindernisse, die irgendwo in seiner Vergangenheit liegen und denen er auf dem Fußballfeld besser ausweichen kann. In seiner Welt ersetzt Musik schon lange die Worte. Er kann selbst nicht gut zuhören, nichts festhalten, ohne Kontaktlinsen auch schlecht sehen. Als er ein zufällig gefundenes Aufnahmegerät abhört, wird er zum Ohrenzeugen einer Beziehung, die auf ganz andere Art laut ist. Seine Mitbewohnerin Luise lernt derweil im Nebenzimmer für ihre Prüfung, manchmal rauchen sie gemeinsam am offenen Fenster, kochen Knoblauchnudeln, bringen Altglas zum Container. Sie verstehen sich, ohne sich richtig anzufassen, denn auch mit der Liebe fangen sie gerade erst an. Als sein türkischer Vater, ebenfalls Musiker, sich das Handgelenk bricht und Tante Elide, seine Ziehmutter, nach fast zwanzig Jahren in Deutschland plötzlich nach Paris gehen will, ist Osman gezwungen, ein paar Dinge aufzuräumen, ein paar Fragen zu stellen. Der Roman erzählt von einem jungen Mann, dem Augen und Ohren geöffnet werden, und von einer Frau, die in der Stille lebt. Es geht um Vater-, Mutter- und Gebärdensprache und um die berührende Kraft von Musik. „Der erste Satz, "Ich bin einer von denen, die atmen", ist nicht nur ein Beispiel von vielen solcher schnörkellosen, klaren Sätze, die Mevissen zur Verfügung hat und die ihre Stärke aus einer poetischen Präzision beziehen. Dieser Einstieg sagt auch: Zuallererst ist Osman ein Mensch. Und auch wenn der Roman am Ende rührselig wird und gegen die vieldeutige Kraft der Erzählung zuvor absackt, und auch wenn die vielen Ich-Erzähler manchmal einfach zu reflektiert sind, überzeugt der Roman durch den Gedanken, dass sowohl das Unvermögen zu kommunizieren als auch die Unermüdlichkeit, es trotzdem immer wieder zu versuchen, allen Menschen eigen sind. So ist Mevissens Roman im Grunde ein zutiefst universalistischer, ohne das Partikulare kleinzumachen“ (SZ)
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