Tagebücher gehörten für Kempowski zum Kernbestand seines vielfältigen literarischen Werkes (zuletzt "Somnia", BA 6/08). Die jetzt aus dem Nachlass herausgegebenen frühen Tagebücher beginnen mit Kempowskis Entlassung aus der 8-jährigen Haft in Bautzen 1956, berichten dann über die Jahre des Studiums und des Lebens als Dorfschullehrer und reichen bis zum Erscheinen seines 1. Romanes ("Im Block", 1969). Sie wurden von Kempowski zwar noch durchgesehen und hier, und da mit zusätzlichen Erläuterungen versehen, blieben aber im ganzen unbearbeitet. Der Wert dieser persönlichen Notizen zum Tage, vom Herausgeber um weitere Dokumente ergänzt, liegt denn auch nicht in ihrer literarischen oder sprachlichen Qualität (von der kaum die Rede sein kann), sondern im Dokumentarischen. Der Kempowski-Leser erfährt in diesen Aufzeichnungen, wie unsicher und extrem verletzlich dieser junge Mann war, wie lange ihn die Hafterlebnisse noch umtrieben und wie mühsam und langwierig sein Weg zum Schriftsteller war. Sicherlich kein spannendes Zeitdokument, aber für jede Beschäftigung mit dem Autor eine wichtige Quelle. (3) (Ronald Schneider) Kurz vor seinem Tod hat Walter Kempowski seinen langjährigen Mitarbeiter Dirk Hempel mit der Herausgabe des sogenannten "Sockeltagebuchs" betraut. Darin wird nicht nur die geistige Verfassung der jungen Bundesrepublik dokumentiert, sondern auch sein Werdegang zum Schriftsteller. Das Werk mit bisher unveröffentlichtem Material komplementiert seine bereits veröffentlichten vier Tagebücher. Nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus Bautzen im März 1956 beginnt für Walter Kempowski im Westen ein zäher Kampf um eine bürgerliche Existenz. Abitur und Pädagogikstudium, Dorfschullehrer, die Gründung einer Familie - das sind die Stationen. Präzise verzeichnet er in dem vorliegenden Tagebuch seine alltäglichen Lebensumstände und die damit verbundenen Geldsorgen, gibt Aufschluss über das politische Klima, über die Atmosphäre und geistige Situation der Adenauer-Zeit. Vor allem aber liefert das Buch ein Porträt des Autors als junger Mann. Unter dem Eindruck seiner Kafka-Lektüre beginnt er zu schreiben, treibt Familienforschung (woraus sehr viel später seine "Chronik" entsteht) und schafft es nach mehreren Anläufen, seinen Haftbericht "Im Block" zu veröffentlichen. "Diese um Briefe erweiterte Tagebuchaufzeichnungen von 1956-1970 zeugen vom Geschäftsgang eines Lebens - des Lebens von Walter Kempowski: ein großer, ein sonderbarer Schriftsteller. Keine Frage, dass die Verehrer seines Werkes hier den unmittelbarsten Zugang zu seiner Person finden. Uneingeweihteren Lesern könnte die Lektüre das Vergnügen einer Reise in ein versunkenes Land schenken: die Bundesrepublik Deutschland vor 1970" (dradio.de)
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