Schlosser ist Funktionär der KPD. Bis zu seiner Verhaftung bremst er den Eifer der Genossen im Kampf gegen die Nazis, verweigert die Waffen und pocht auf Disziplin. Die Genossen von der Basis aber wollen kämpfen. Kämpfen bedeutet für sie Lust und Leben. Vor allem für Karo, aber auch für Leo, der noch 1930 zur Polizei geht, aber später begreift, dass er auf der falschen Seite steht. Als ob er mitten im Geschehen steckt, begleitet Geissler seine Figuren durch die Kämpfe vor und nach 1933 und zieht den Leser in die immer noch aktuellen Debatten mit hinein. Mit "balladenhaft-lyrischer Präzision " (Heinrich Böll) erzählt er von Gewalt von oben und Gegenwehr von unten, vom Spannungsverhältnis zwischen Kollektiv und Individuum, zwischen Disziplin und Eigensinn. „Die Erzählung setzt weit vor 1933 ein, mit Bildern aus der Weimarer Republik und selbst aus dem vorangegangenen Krieg. Die eigentliche Befreiungsaktion nimmt sogar den knappsten Raum ein. Was vorher entwickelt wird, könnte man ein Panorama der gesellschaftlichen Verhältnisse in Hamburg und Umgebung zwischen 1918 und 1933 nennen, wenn der Begriff Panorama nicht so etwas wie breite Epik und klassischen Realismus assoziieren würde. Dafür aber ist Geissler ebenfalls nicht zu vereinnahmen, schon deshalb nicht, weil er zu ungemütlich ist. Denn „Wird Zeit, dass wir leben“ ist keine gemütliche Lektüre. Zunächst spürt man in fast jeder Zeile den eigentlichen Antrieb des Buches, und das ist der Hass: der Klassenhass inklusive des Selbsthasses der Intellektuellen, den der Hamburger Bauunternehmerssohn Geissler, ob nun bewusst oder nicht, in die Figur des Krischan Pietsch verlegt hat, seines Zeichens Lehrer, aber auch ein bisschen Dichter. Doch auch der ist, wie alle Figuren dieses Romans, keine Karikatur und kein „Typ“. Durch Geisslers Figuren gehen immer die Widersprüche ihrer Zeit hindurch“ (taz)
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