Seit seinen Anfängen sah sich das Theater dem - meist religiös motivierten - Verdacht ausgesetzt, ein unmoralisches Medium zu sein. Zum Problem wird dies, wenn sich Theater als Tugendschule begreift: Denn wie kann es moralisch bessern, wenn seine Kritiker recht haben und dieses korrupte Medium korrumpiert, was es zur Darstellung bringt? Die Studie verfolgt dieses Repräsentationsproblem von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Wende um 1800. Sie zeigt, daß die Theaterreformer von Gottsched bis Schiller mit ihren vielfältigen Versuchen der medialen Reinigung die Kritik der Theaterfeinde ernst genommen und verinnerlicht haben. In ihrem Bemühen, das Theater von seiner Medialität zu reinigen, projektieren sie eines, das sich als zutiefst antitheatralisch erweist. Diese theologisch-moralische Mediengeschichte wird durch Interpretationen kanonischer Dramen von Gryphius bis Kleist vervollständigt, die zeigen, daß die mediale (Un-)Reinheit des Theaters immer auch geschlechtlich kodiert ist und sich das Theater der Keuschheit als Allegorie für die Keuschheit des Theaters lesen läßt. Aus dieser feministisch orientierten Perspektive erwachsen überraschende, neue Einsichten in Dramen, die zu den meist gelesenen und beschriebenen gehören.
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