Zum 85. Geburtstag am 29. April 2014: Ein Projekt aus dem Nachlass des großen Autors. Das Sammeln und Bewahren von Erinnerungen war ein zentrales Motiv von Walter Kempowskis Arbeit. Fast 50 Jahre lang frönte er leidenschaftlich einer Tätigkeit, die er „Plankton fischen“ nannte: Er stellte Menschen, denen er begegnete, unterschiedlichste Fragen – nach ihrer Schulzeit, nach Begegnungen mit Prominenten, nach der ersten Liebe. Denn Kempowski war überzeugt, dass das, was dem Einzelnen widerfährt, exemplarisch ist für eine ganze Generation. Simone Neteler, Walter Kempowskis langjährige Mitarbeiterin, hat die Erinnerungssplitter nach den Vorgaben des 2007 verstorbenen Autors zusammengestellt. Das Ergebnis ist ein „Urquell von Erinnerung“, „der Schlamm, aus dem sich das Echolot und die Chronik erheben“ (Walter Kempowski). So ist „Plankton“ als Fundament des Kempowski’schen Werks zu betrachten. „Sein Leben lang hat Kempowski Plankton gefischt: wildfremde Leute ausgefragt. Was sie ihm erzählten, ist nun als Buch erschienen. Es ist imponierend. Aber ist es auch Literatur?“ (FAZ) Walter Kempowski (1929-2007) war als Schriftsteller immer auch Chronist seiner Zeit, der fast manisch alles an dokumentarischen Material für seine Bücher sammelte, was er in die Hände bekam und in seinem Haus archivieren konnte. Die jetzt posthum herausgegebene Auswahl aus seinen "Befragungsbüchern" aus den letzten 5 Jahrzehnten bietet auf 800 Seiten rund 8.000 Interview-Ausschnitte, die im Umfang von einigen Zeilen bis zu anderthalb Seiten reichen. Inhaltlich geben diese Erinnerungsschnipsel Auskunft zu so unterschiedlichen biografischen Erfahrungen wie Kriegserlebnissen oder erster Liebe, Schulerfahrungen oder dem Fall der Mauer - wobei sich vieles wiederholt oder im Klischee stecken bleibt. Die mit Beruf und Geburtsjahr des Interviewten und mit einem Stichwort eingeleiteten Erinnerungsskizzen sind nun aber keineswegs zu einem thematischen Mosaik zusammengestellt, sondern von einem "Zufallsgenerator" willkürlich aneinandergereiht. Das macht die Lektüre ebenso strapaziös wie enttäuschend, zumal eindrücklich Formuliertes die Ausnahme ist. Zur Werkergänzung in großen Bibliotheken. (3) (Ronald Schneider)
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