Bundesrepublik Deutschland, 1964 bis 1975: Ein Kind erzählt aus seinem Leben, vom Sandkasten bis zur Pubertät, von den ersten Liebesperlen im Hinterhof bis zum Wunschtraum, der neue Eddy Merckx zu werden, der neue Mark Spitz, der neue Gerd Müller oder am besten alles auf einmal. Zur Feier seines siebten Geburtstags im April 1969 möchte Martin Schlosser gerne Tom Sawyer und Huckleberry Finn einladen, die er gut aus dem berühmten ZDF-Weihnachtsvierteiler kennt, aber daraus wird nichts, und auch sonst kommt vieles anders als geplant. In seinem Briefroman "Die Liebenden" hat Gerhard Henschel die Geschichte der Familie Schlosser erzählt, von 1940 bis 1993. Jetzt hat der junge Martin Schlosser das Wort. Und er packt aus - was er von Mecki, Lurchi, Gustav Gans, Freddy Quinn und Percy Stuart hält und von den eigenen drei Geschwistern, wie er zum Brandstifter und Ladendieb wird, weshalb er aufschreit, als er im Stil des Seewolfs einmal überm Essteller eine gekochte Kartoffel zerquetschen darf, weshalb er T. Rex nicht leiden kann, was er als Fan von Borussia Mönchengladbach erlebt, auf welchen Wegen man vom Mallendarer Berg zum Fernsehturm wandern kann und wie es ist, wenn man den Eltern beichten muss, dass man in Biologie auf Sechs steht. Die Familie des Erzählers steigt in dieser Zeit sozial erheblich auf und zieht zweimal um, von einer kleinen Wohnung im Koblenzer Vorort Lützel in ein Reihenhaus am rechten Rheinufer und von dort etwas weiter stromaufwärts in ein Eigenheim bei Vallendar am Rhein, der diesen Roman einer Kindheit am Deutschen Eck in aller Ruhe von Anfang bis Ende durchfließt. Ohne störende pädagogische oder sonstige Kommentare und ständige Einmischungen Erwachsener lässt der Autor (zuletzt: "Die Lebenden", BA 2/03) den Jungen Martin über gut 10 Jahre, von 1964-75, seine persönliche Geschichte aus subjektiver Sicht erzählen. Da ist nichts konstruiert oder sonst wie passend gemacht. So ähnlich sind viele von uns größer geworden, mit den gleichen Sprüchen auf den Lippen, die das Fernsehen (ohne 30 Programme) und die Werbung stets parat hatten. Und weil die Episoden in Familie, Schule und bei der Bundesliga in der gleichen Weise erlebt wurden, wie sie hier schnörkellos und frei von falscher Nostalgie aneinandergereiht werden ist der "Kindheitsroman" so authentisch. Zugleich entsteht ein geglücktes Zeitbild ohne Pathos, das kindlich-jugendliche Lebenserfahrung vergnüglich wie lesenswert bündelt. - Für alle.
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