Franz Kafkas "Betrachtung", eine Sammlung kleiner Prosatexte und ein bislang von der Forschung wenig beachtetes Frühwerk, war nicht nur Kafkas erste Publikation und Grundstein seines literarischen Lebens, sondern lässt auch schon sehr deutlich die Motive, Stilmittel und Erzähltechniken seiner späteren Werke erkennen. Die auf den ersten Blick wie Mosaiksteinchen und scheinbar uneinheitlich zusammengefügten Einzelstücke zeigen erst bei einer näheren Betrachtung eine über Motive, Verweise und Wortgruppen verbundene Einheit. Sie sind zwar, wie alles bei Kafka, zweifellos sehr schwer deut- und fassbar, doch wird bei immer erneuten Einblicken und Reflexionen, zu denen der Leser aufgrund der dialektischen Struktur der Texte geradezu gezwungen wird, allmählich deutlich: Es geht schon hier um die ganz großen Fragen des Lebens, um Identität und Fundamente der Existenz, um die Suche nach ontologischer Festigkeit und die Sehnsucht nach ästhetischer Schwebe, um existentielle Bodenhaftung und künstlerisches Entheben aus den Zwängen der Realität
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