Biographical note: Prof. Dr. Manfred Pohl ist einer der bekanntesten und renommiertesten deutschen Unternehmenshistoriker. Er leitete das Historische Institut der Deutschen Bank und lehrt an der Universität Frankfurt. Professor Pohl ist Autor zahlreicher Unternehmensgeschichten, darunter »Die Geschichte der Südzucker AG«, »Von Stambul nach Bagdad: die Geschichte einer berühmten Eisenbahn« oder »Philipp Holzmann«. Darüber hinaus arbeitete er die Geschichte der Deutschen Bank auf und veröffentlichte hierzu zahlreiche Bücher. Review quote: 2009-03-17, Handelsblatt.com, "Mag Thomas Mann das Thema mit dem Doktor Faustus auch schon 1947 angeschlagen haben, über das Treiben deutscher Zeitungsverlage im Nazi-Regime ist bislang erstaunlich wenig bekanntgeworden ... Insofern markiert das Buch einen Fortschritt." Review quote: 2009-07-27, Frankfurter Allgemeine Zeitung, "Die umfassende Darstellung macht Pohls Buch zu einem Lehrstück deutscher Zeitungsgeschichte." Long description: M. DuMont Schauberg ist eines der ältesten deutschen Verlagshäuser — und mit Zeitungen wie Kölner Stadtanzeiger, Express, Frankfurter Rundschau oder Mitteldeutsche Zeitung, den DuMont-Buch- und Kalenderverlagen sowie vielen anderen Aktivitäten eines der größten. Seine Geschichte wird hier zum ersten Mal aufgearbeitet. Der versierte Unternehmenshistoriker Manfred Pohl widmet sich dabei insbesondere der Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reichs und der Frage nach dem Verhältnis des Unternehmens zur NS-Ideologie. Mit besonderer Methodik untersucht er die Zeitungen als Mittel und Ausdruck der Unternehmenspolitik. Nicht nur in dieser Hinsicht ist das Buch eine Pioniertat. Excerpt from book: VorwortDieses Buch befasst sich erstmalig mit der Geschichte eines deutschen Verlagshauses und seinen Produkten, den Zeitungen, im Dritten Reich in seiner Gesamtheit.Hierbei stand, wie bei allen Historikern, die sich mit der Aufarbeitung der Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigen, die unumgängliche Frage, wer war Nazi und wer nicht, im Mittelpunkt. Für diese Arbeit konzentrierte sich die Frage auf Kurt Neven DuMont: War er ein Nazi oder war er es nicht? Das Buch wird auf diese Frage eine differenzierte Antwort geben.Kurt Neven DuMont war der Sohn des Verlegers Alfred Neven DuMont (1868-1940), der in die Geschäftsleitung der elterlichen Verlagsgesellschaft und Großdruckerei M. DuMont Schauberg (MDS) am 1. Januar 1927 eintrat. Zum Inhaber des Familienunternehmens wurde er 1933 zu gleichen Teilen neben seinem Vetter August Neven DuMont, dem langjährigen Seniorchef. Dem liberalen und demokratischen Zeitungsverleger Kurt Neven DuMont gelang es, den Bestand seines Verlagshauses bis zum Kriegsende zu sichern, unter anderem auch deshalb, weil die international renommierte Kölnische Zeitung der Aufsicht des Reichspropagandaministeriums direkt unterstand und gegenüber dem Ausland den Anschein einer freien Presse im Dritten Reich aufrechterhalten sollte.Aber die Beantwortung dieser zugegeben zentralen Frage ist nur ein Teil der Verlagsgeschichte von M. DuMont Schauberg im Dritten Reich. Viele und vorher kaum erahnte Themen tauchten während der Archiv- und Nachforschungsarbeit auf. Von vornherein war klar, dass die Geschichte eines Verlagshauses sich wesentlich von der Geschichte eines klassischen industriellen Wirtschafts- oder Dienstleistungsunternehmens, das als zentrale Produkte Fahrzeuge, Bauten, Anlagen, die Bereitstellung von Energie, Medikamenten oder Dienstleistungen von Banken und Versicherungen in bestimmten Intervallen und je nach Bedarf der Konsumenten anbietet, abhebt.In der Zeitungsverlagsbranche entsteht in absolut kurzen periodischen Abständen ein neues Produkt, das zwar immer das gleiche Format in Gestalt einer Zeitung hat, aber dessen Inhalt einer ständigen journalistischen Veränderung unterliegt. Das heißt: Die inhaltliche Vielfalt einer Ausgabe wird jeden Tag neu erfunden. Hier vollbringen schreibende Journalisten meinungsaktuelle Glanzleistungen. Es gibt kein Wirtschaftsunternehmen, welches jeden Tag ein greifbares Produkt wie die Tageszeitung produziert und es auf dem Markt zugleich für zahlreiche unbekannte Konsumenten zugänglich macht.Der Zeitungsverlag M. DuMont Schauberg produzierte damals mehrmals täglich ein Nachrichtenblatt, welches am Tag darauf mit der Herausgabe einer neuen Ausgabe schon wieder veraltet war. "Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern", besagt ein von Journalisten geprägtes Sprichwort. Kurzfristig gesehen, mag das aus journalistischer Betrachtungsweise stimmen. Langfristig betrachtet, wird allerdings durch die Untersuchung der Inhalte Nachhaltigkeit deutlich, und es entsteht historische Kontinuität in der Gesamtheit.Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Fragilität und die Volatilität einer Zeitungsinformation wegen der direkten Verarbeitung, Analysen und Interpretation einer Nachricht und ihrer sofortigen Wiedergabe groß sind. Aber über einen längeren Zeitpunkt betrachtet, stabilisiert sich die Information und wird erst so zu einem zuverlässigen Instrumentarium der historischen Forschung. Manche Information ist kurzlebig sowie einmalig und entgeht der Geschichte, zumeist weil sie sich nicht bestätigt, falsch ist oder schnell an Bedeutung verloren hat. Hierin liegt eine wesentliche Gefahr für einen Historiker, der sich mit Zeitungsnachrichten befasst.Eine weitere Gefahr - immer wieder zu beobachten - liegt deshalb auch darin, anhand eines einzelnen recherchierten Zeitungsbeitrages geschichtliche Einschätzungen in Bezug auf die Gesamtheit zu formulieren. Verantwortungsvoll mit geschichtlichen Erkenntnissen kann nur umgegangen werden, wenn Zeitungsinhalte nicht stichprobenartig analysiert werden. Denn nur die dauerhafte Untersuchung von Zeitungsinhalten gewährleistet eine klare und objektive Einschätzung der historischen Lage und lässt fundierte Rückschlüsse über die Linie eines Hauses zu.Die Zeitung über einen langen Zeitraum in ihrer Gesamtheit betrachtet, beinhaltet eine auf den ersten Blick nicht sichtbare Dynamik, der sich niemand entziehen kann, da sie als Massenprodukt die Leser, aber auch politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell Agierende beeinflusst und nicht selten Entscheidungen von historischer Dimension erwirkt. Aus diesem Grunde haben die Machthaber zu allen Zeiten versucht, Einfluss auf den Inhalt der Zeitung zu nehmen, wie die nachfolgende Geschichte der Kölnischen Zeitung verdeutlicht.Wenn ein Medium wie die Zeitung zwischen Sender (Informant) und Empfänger (Leser) geschaltet wird, dann wird von Massenkommunikation gesprochen. Jeder journalistische Beitrag enthält mit der Art und Weise der Verwendung von Worten eine Inhaltsebene sowie eine Beziehungsebene; das heißt: Wie steht der Verfasser des geschriebenen Wortes inhaltlich zu seiner Berichterstattung? Allein schon das Platzieren eines Beitrages, die Formulierung einer Schlagzeile und der Schreibstil lassen die Beziehung des Autors zu seinem journalistischen Artikel erkennen.Zur Zeit dieser geschichtlichen Untersuchung gab es keine Zeitung, die nicht über den Nationalsozialismus berichtete. Ob negative, positive oder neutrale Berichterstattung aller damaligen Zeitungen, wie beispielsweise des Berliner Tageblatts, der Frankfurter Zeitung, der Vossischen Zeitung, der Kölnischen Zeitung oder des Völkischen Beobachters, vorliegt - alle haben eines gemeinsam: Sie haben den Nationalsozialismus kommuniziert und somit das Thema des Nationalsozialismus bekannt und vor allem präsent gemacht. Die Auswirkung dieser Kommunikation war eine entsprechende Meinungsbildung verbunden mit subjektiver Naivität bei den Lesern.Zeitungsberichterstattung während des genannten Zeitraums ist mit der heutigen Schreibweise in Nachrichtenblättern nicht zu vergleichen. Boulevardeske Anteile und Merkmale fehlen. Ein Grund mag das damalige Fehlen des Fernsehens und anderer elektronischer Medien sein.Während der erstmaligen geschichtlichen Aufarbeitung der Kölnischen Zeitung wird deutlich: Erst die absolute Unabhängigkeit einer Zeitung - wirtschaftlich wie überparteilich - schafft kreative Modernität, gleiches Recht für alle und Identität.
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