Das Faszinierende an Rilke geht weit über sein Werk hinaus: es ist dieses radikale Leben als Dichter, diese extreme Vereinzelung, die sich doch in den Priester-Dienst am Allgemeinsten stellt, das Menschen überall verbindet: die Sprache, die Natur, das Gefühl, die Kunst. Christusgleich, dornengekrönt, vaterlos, elternenttäuscht, die Mutter mehr Last und Pflicht als Halt, muss Rilke sich seine Gläubigen erst erschaffen, muss um sie werben, redet jeder Einzelnen zu, als sei sie die Einzige, unvergleichlich , unerreicht, jeder Hingabe wert - wenn nur die begrenzten Kräfte nicht wären und nicht das Werk, die Arbeit, die es jeden Tag zu beginnen gilt, die alle schön finden sollen, während das Ich des Dichters sich an keinem der erreichten Erfolge dauerhaft erfreut oder auch nur soviel Halt gewinnt, dass die Ängste weichen und die Abgründe sich schließen. Wer sich einer solchen Person psychologisch nähert, sollte jeden seiner Begriffe kritisch prüfen, ehe er ihn auf sie anwendet. Angesichts von Rilke scheinen hier die Begriffe der Hysterie und der Depression besonders problematisch, aber auch das Konzept der narzisstischen Störung funktioniert nur eingeschränkt.
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