Das Digitale hat seinen Einzug in die Kulturwissenschaften gehalten. Aber was kann es zur Deutung von Bildern, gar von Kunstwerken beitragen? Eine Antwort darauf versucht das Buch 'Digitale Bildwissenschaft'. Sein Autor behauptet nicht zuallererst,...
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Das Digitale hat seinen Einzug in die Kulturwissenschaften gehalten. Aber was kann es zur Deutung von Bildern, gar von Kunstwerken beitragen? Eine Antwort darauf versucht das Buch 'Digitale Bildwissenschaft'. Sein Autor behauptet nicht zuallererst, dass man mit dem Computer viel schneller wissenschaftliche Fragen abhandeln kann, sondern dass sich vor allem Methodiken des Analysierens, Publizierens und Bewertens ändern. Für klassische Geisteswissenschaftler sind solche Wandlungen nicht leicht zu verdauen. Wird eine digitale Bildgeschichte überhaupt noch Geschichtsschreibung sein? Die Digital Humanities haben angefangen, ihre Funktion als Spielwiese für Nerds und als bibliographisches Serviceunternehmen abzustreifen und das Feld der Geisteswissenschaften durchgreifend zu erweitern. - Glaubt man Jeffrey Schnapp, einflussreicher Romanist aus Harvard und Leiter des dortigen metalab, das seine Mission darin sieht, "innovative scenarios for the future of knowledge creation and dissemination in the arts and humanities" zu kreieren, dann zeichnen sich die Digital Humanities durch eine Reihe von im Schumpeterschen Sinne disruptiven Eigenschaften aus. Sie verdrängen den (Buch)Druck als einziges Medium zur Wissensproduktion und -verbreitung und ergänzen ihn durch multimediale Konfigurationen. Sie definieren Wissenschaft als offenen Raum und betrachten alles, was diese Offenheit einschränkt - z.B. auch ein restriktives, nur den Interessen der Besitzenden dienendes Urheberrecht - als Gegner. Sie verkennen ihre Herkunft aus den gegenkulturellen Strömungen der 1960er und 70er Jahre nicht und haben einen utopischen Charakter, der die Demokratisierung von Kultur und Wissenschaft beinhaltet und gleichzeitig die Schranken zwischen Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften niederlegt. (3) Sie preisen die vielfältigen Möglichkeiten der Kopie gegenüber dem Original (und - so könnte man hinzufügen - gehorchen damit Walter Benjamins Thesen aus dem "Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit"). Sie fügen die in einem langen historischen Prozess in Kleinstdomänen ausdifferenzierten Disziplinen zu einem gemeinsamen Wissensraum zusammen, der kooperativ erschlossen wird. Sie überwinden im Wissen um die "Weisheit der Menge" den schlichten Gegensatz von Experten und Laien. Sie öffnen ihre Inhalte für ein breiteres Publikum, das selber am Aufbau und der Diskussion dieser Inhalte beteiligt wird. Und - für die Kunstgeschichte besonders wichtig - sie redefinieren den Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin als Kurator/in der materiellen Überlieferung und vice versa den Kurator als Wissenschaftler. All dies in einem Geist, der traditionelle Verfahrensweisen nicht etwa überflüssig macht, sondern diese in ein neues, überwölbendes Paradigma einbindet. - (Aus der Einleitung.)