Über den heute vielleicht bekanntesten seiner Texte schrieb Arthur Schnitzler 1897, es handele sich um "nichts als eine Scenenreihe, die vollkommen undruckbar ist, literarisch auch nicht viel heißt, aber, nach ein paar hundert Jahren ausgegraben einen Theil unserer Cultur eigentümlich beleuchten würde." Lediglich in Bezug auf den Zeitraum hat Schnitzler sich geirrt. Ein Schlaglicht auf die Kultur des ausgehenden 19. und angehenden 20. Jahrhunderts hat "Reigen" bereits zu Lebzeiten seines Verfassers geworfen, und lange Zeit stand Schnitzlers "Scenenreihe" nicht nur im Licht, sondern auch im Schatten der Auseinandersetzungen, die bereits unmittelbar nach der ersten Drucklegung des Textes im Jahr 1900 entbrannten und in den zwanziger Jahren in einer Reihe von Prozessen ihren Höhepunkt fanden. Die Kontroversen, die sich um Zensurmaßnahmen und Aufführungsverbote entspannen, haben den Gegenstand des Anstoßes keineswegs vergessen gemacht, vielmehr haben sie die Aufmerksamkeit umso stärker auf jenen Bereich der Kultur der frühen Moderne gelenkt, der nach Schnitzlers eigener Einschätzung in "Reigen" so "eigentümlich" zur Darstellung kommt: auf die Bestimmung des Menschen ausgehend von seiner Physis und seinen Trieben. Gegenstand des Textes, darin waren Kritiker und Befürworter von "Reigen" sich stets einig, ist der "homo sexualis", der Mensch im Spiegel seiner Triebe.
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