Die Studie unternimmt den Versuch, das sprachwissenschaftliche Hauptwerk Karl Philipp Moritz', die 'Sprachlehre für Damen' (1782), einer rhetorischen und poetologischen Lektüre zu unterziehen. Sie revidiert die in der Forschung vorherrschende These einer dezidiert antirhetorisch fundierten Konzeption der Sprachphilosophie und Ästhetik Moritz', indem sie anhand einer 'mikrologischen' Lektüre der Moritzschen Darstellungsästhetik deren Abhängigkeit vom rhetorischen Konzept der evidentia nachweist. Als unmittelbare Zustimmungsnötigung, als Aussage, die sich selbst bezeugt, hebt Evidenz die Notwendigkeit persuasiver, mittelbarer Zustimmungsnötigung durch Argumentation auf; sie ist somit ein Grenzbegriff der Rhetorik und läßt einen neuen Blick auf die rhetorischen Fundamente der Theoriekonzeption Moritz' zu. Ästhetik und Sprachtheorie verfolgen rhetorische Strategien der Evidenzsicherung, der argumentativen und performativen Selbstdarstellung, die sich im Einsatz von Metaphern, selbstreflexiven Inszenierungen oder Sprachspielen verdichtet. Rhetorik, Glaubwürdigkeit und Fiktionalität werden dabei als Verfahren der Autorisierung eingesetzt, die sowohl auf der epistemologischen Ebene der Wissensproduktion wie auf der sozialen Ebene der Distribution dieses Wissens aktiv werden. Die Texte Moritz werden deswegen darauf hin untersucht, welche Überzeugungsverfahren sie anwenden, wie sie Transparenz und Evidenz erzeugen, affektivische Leitbilder aufbauen und Suggestionen erzeugen. Die Studie ist in drei Kapitel unterteilt, von denen das erste die methodischen Grundlagen anhand einer rhetorischen Re-Lektüre des New Historicism entwickelt, das zweite Kapitel die 'Sprachlehre' unter dem Aspekt einer intrinsischen Verbindung von Sprachtheorie, Rhetorik und Poetologie untersucht, und im dritten Kapitel schließlich zeigt, wie sich Moritz' Verfahren der 'poetischen Darstellung' auch auf die Konzeption und Darstellung der Stillehre und der Ästhetik ausgewirkt hat. ; published
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