»Stadt, Land, Leben« erzählt vom Alltag in der DDR. Jürgen Graetz wirft seinen individuellen Blick auf Situationen, die sich so ähnlich an vielen Orten der DDR abgespielt haben dürften. Dem Einzelnen begegnet er ungeachtet seiner oft absurd anmutenden Lebensumstände stets mit Würde. Die Mangelwirtschaft ist auf den Fotos bildimmanent zugegen. Doch »Stadt, Land, Leben« zeigt auch, wie erfinderisch dieser Mangel die Menschen in ihrem Bemühen um ein gutes Leben machte. Wem das auf Dauer zu wenig war, der ging. Auch von der melancholischen Stimmung vor der Ausreise zeugt dieses Buch, ebenso wie von den Tagen nach der Maueröffnung, als auf einmal nichts mehr so war wie zuvor. „Mehrfach sind Graetz dabei wundervolle Porträts gelungen, das zerfurchte Gesicht eines konzentrierten Skatspielers im Park etwa, die pfeilschießende Großmutter auf der Campingausstellung 1974 oder das Kinderpaar, das Hochzeit spielt. Daneben Kollektivporträts wie die Angler auf dem Landungssteg oder die lachenden Jungarbeiter der VEB Baumechanik. Das hohe Niveau der Bilder findet leider keine Entsprechung in den verbindenden Zwischentexten. Beate Teubert, die diese Texte geschrieben hat, ist Übersetzerin, Universitätsdozentin und Unternehmerin in Bielefeld. Sie gehört zu den Menschen, für die die DDR auch nach 25 Jahren noch das ultimative Schreckgespenst darstellt. Entsprechend prompt rattern ihre Assoziationsketten herunter: Geschäfte (eine Kapitelüberschrift) – leere Regale – lange Warteschlangen, Mobilität – Trabant – Störanfälligkeit – Ersatzteilmangel, Angler – die dicksten Fische gab es, wo das Wasser verschmutzt war“ (titel-kulturmagazin.net)
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